Gendern im CRM – ja oder nein, und wenn ja, wie?

Bei der Antwort auf diese Frage sollte Ihre Zielgruppe die entscheidende Rolle spielen. Gendern im CRM? Soll man, muss man, darf man das? Und wenn ja, wie denn? Die Diskussion um eine geschlechtsneutrale Sprache ist in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen – und macht dementsprechend auch vor der Kundenansprache der Unternehmen nicht Halt. Viele Verantwortliche in den Unternehmen fragen sich, wie sie sich hier verhalten sollen. Aus Sicht des CRM sollten Sie danach entscheiden, wie Ihre Zielgruppe in dieser Frage „tickt“.

 

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Was ist Gendern?

Herkömmlicherweise verwendet die deutsche Sprache das generische Maskulinum, wenn es darum geht, Personen zu bezeichnen, deren Geschlecht nicht näher bezeichnet ist, oder Gruppen von Personen, in denen unterschiedliche Geschlechter vorkommen. So ist z.B. von „ein Kunde“ oder „die Kunden“ die Rede, wobei neben männlichen auch Personen anderen Geschlechts mitgemeint sein sollen. In jüngerer Zeit wird die Kritik lauter, das generische Maskulinum sei geschlechterdiskriminierend, weil eben nicht klar werde, dass nicht nur Personen männlichen Geschlechts gemeint seien. Die Kritiker zitieren Studien, nach denen sich Frauen häufig weniger angesprochen fühlen als Männer, wenn das generische Maskulinum verwendet wird. Für das CRM kann dies fatale Folgen haben, indem die Ansprache von Personen, die nicht männlichen Geschlechts sind, unter Umständen aus rein sprachlichen Gründen nicht so gut funktioniert.

Unter Gendern wird der Gebrauch einer geschlechtergerechten Formulierung zur sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter verstanden (nach Wikipedia). Dies kann entweder dadurch geschehen, dass die unterschiedlichen Geschlechter explizit sichtbar gemacht werden oder dadurch, dass eine eindeutig geschlechtsneutrale Formulierung verwendet wird.

Das Geschlecht können Sie so  sichtbar machen:    

  • Paarformulierung: es wird jeweils die männliche und weibliche Form verwendet (z.B. „Kundinnen und Kunden“), ggf. auch in abgekürzter Form („Kunden/-innen“ oder „Kund(inn)en“) – auch die Schreibweise mit sog. Binnen-I („KundInnen“) zählt hierzu;

  • mehrgeschlechtliche Schreibweisen: der Bezug auf sämtliche Geschlechter wird hier durch Sonderzeichen wie den sog. Genderstern („Kund*innen“), den Gender-Doppelpunkt (Kund:innen) oder den Gender-Gap („Kund_innen“) ausgedrückt. Durch diese Schreibweise soll neben dem männlichen und weiblichen Geschlecht auch die dritte Geschlechtsoption (divers) eingeschlossen werden. In der mündlichen Kommunikation sollen diese Sonderzeichen durch eine kurze Sprechpause an der Stelle des Sonderzeichens verdeutlicht werden.

 

Geschlechtsneutrale Formulierungen vermeiden den Bezug auf das Geschlecht. Dies kann geschehen durch:

 

  • geschlechtsneutrale Benennung: Dies kann durch geschlechtsindifferente Personenbezeichnungen („Kundschaft“, „Zielgruppe“), substantivierte Partizipien („Kaufende“) oder Sachbezeichnungen (statt „Kundenansprache“ als „werbliche Ansprache“) erfolgen.

  • geschlechtsneutrale Umformulierung: Hier kommt die u.a. Verwendung von Relativsätzen („die gekauft haben“), des Passivs (statt „die Kunden kauften häufiger“ als „es wurde häufiger gekauft“) oder die direkte Anrede (statt „alle Kunden sollten den Bonus nutzen“ in der Form „Nutzen Sie den Bonus“) in Frage.

 

 

Gendern im CRM

Welche Form des Genderns bietet sich zur Verwendung im CRM an? Vor dem Hintergrund, dass werbliche Ansprache nach Möglichkeit unkompliziertklar und aktivierend sein sollte, scheiden Paarformulierungen, Relativsätze und Formulierungen im Passiv in den meisten Fällen aus. Auch Partizipien sind meist nicht empfehlenswert, weil ein „Kunde“ eben nicht exakt dasselbe ist wie ein „Kaufender“ – ein Kaufender kauft wohl gerade im Moment, was bei Kunden nicht zwangsläufig der Fall ist. Äquivalent zu „Kunde“ wäre also eher „Kaufender oder gekauft Habender“ – eine Formulierung, die dann doch eher abschreckt.

Sehr gut mit diesen Anforderungen vereinbar ist die direkte Anrede, doch lässt sich dies nicht in jedem Kontext umsetzen. Auch geschlechtsindifferente Personenbezeichnungen können je nach Kontext gut funktionieren, wenn nicht gerade „Kunden“ durch „Kaufpersonen“ zu ersetzen sind, sondern z.B. „CRM-Leiter“ durch „CRM-Führungskraft“. Eine durchgängig umsetzbare Lösung bieten diese Ansätze meist nicht.

Durchgängig umsetzbar sind nur die mehrgeschlechtlichen Schreibweisen, also der Gender-Stern und vergleichbare Lösungen. An diesem Gender-Stern aber scheiden sich die Geister: Es gibt ebenso glühende Befürworter*innen wie entschiedene Ablehner, die weiterhin das generische Maskulinum bevorzugen. Wer die Gender-Stern-Lösung umsetzt oder eben ablehnt, kommt nicht umhin, in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache Farbe zu bekennen – im Gegensatz zu den anderen Lösungen. Diese laufen eher auf ein Vermeiden des Genderns und damit auf ein Umschiffen des Problems hinaus, sind  sprachlich kompliziert, unpräzise, wenig aktivierend und oft auch nicht durchgängig umsetzbar.

 

 

Was will die Zielgruppe?

Werden Ersatzstrategien wie Passiv oder Partizipien ausgeschlossen, weil sie mit einer unkomplizierten, klaren und aktivierenden Sprache unvereinbar sind, bleibt die Kernfrage: gendern mit Stern oder weiter das generische Maskulinum verwenden? Im CRM sollten Sie sich an dieser Stelle weniger die Frage stellen, was Sprachexperten wie z.B. die  Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) hierzu sagen oder welche Vorgehensweisen öffentliche Verwaltungen an den Tag legen. Letztere sind nicht gerade für verständliche Sprache oder besondere Kundenorientierung bekannt. Das sollte die werbliche Unternehmenskommunikation aber sein. In Bezug auf das Gendern sollten Sie sich daher vor allem die Frage stellen, welche Sprache die Kunden bzw. Kund*innen bevorzugen: Werden durch die Verwendung eines Gender-Sterns Aversionen beim Kunden ausgelöst – oder wenden sich Kund*innen enttäuscht von einem Unternehmen ab, das beharrlich das generische Maskulinum verwendet.

Nach einer Befragung von Infratest (Dimap) stand Mitte 2021 eine deutliche Mehrheit der Wahlberechtigten in Deutschland der Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache skeptisch gegenüber: 36% lehnten eine solche voll und ganz ab, weitere 29% lehnten eine solche eher ab. Eine etwa gleichzeitig veröffentlichte Umfrage von Forsa zeigt eine noch eindeutigere Tendenz gegen das Gendern. Allerdings zeigt diese Studie auch, dass es bei dieser Frage auf das Geschlecht und das Alter ankommt: Der Anteil derjenigen, die dem Gendern ablehnend gegenüberstehen, ist bei Frauen und vor allem bei jüngeren Menschen deutlich niedriger. Dass auch die politische Grundeinstellung eine Rolle spielt, liegt auf der Hand: Konservative befürworten das Gendern nur selten; in progressiven Milieus hingegen gibt es meist eine klare Forderung nach der Verwendung geschlechtergerechter Sprache.

 

Grafik Gendern

Grafik: RTL (https://www.rtl.de/cms/umfrage-zum-gendern-das-denke-die-deutschen-ueber-die-sprache-4770234.html).

 

Ob Werbetreibende gendern sollten oder nicht, hängt also von der Zielgruppe ab. Wer ein innovatives Produkt auf digitalen Kanälen an eine jüngere, möglicherweise überwiegend weibliche Zielgruppe verkaufen möchte, für den führt am Gendern kein Weg vorbei, wenn es um effizientes Marketing geht. Wer hingegen ein traditionelles Produkt an den meist älteren Mann bringen will, der sollte in seinem Werbebrief auf das Gendern lieber verzichten, wenn er vermeiden möchte, Kunden zu verärgern. Die Lage ist damit ähnlich wie bei der Frage, ob in der Werbeansprache geduzt oder gesiezt werden sollte.

Zielgruppenwissen hilft bei diesen Fragen weiter, bei der Frage des Duzens genauso wie bei der Gender-Frage. Wo keine Erkenntnisse vorliegen, kann Marktforschung weiterhelfen – aber auch Datenanalysen. Und selbst wenn sich den Kundendaten keine Alters- und Geschlechtsangaben entnehmen lassen, kann eine Vornamensanalyse hier weiterhelfen: Auf Basis der Vornamen lässt sich nicht nur das Geschlecht ermitteln, sondern auch das Alter ziemlich treffsicher vorhersagen.

Prinzipiell kann ein Unternehmen auch verschiedene Zielgruppen unterschiedlich behandeln. Dies ist ein Vorgehen, von dem auch viele Personen in der von datavance-Geschäftsführer Meinert Jacobsen im Dezember 2021 auf LinkedIn gestarteten Umfrage berichteten. Diese Umfrage betrachtete allerdings nicht die Kundenansprache im CRM, sondern Gendern bei der Präsentation der Ergebnisse von CRM-Analysen für individuell betreute B2B-Klienten. In der 1:1-Komunikation mit diesen Klienten lässt sich das gut umsetzen, d.h. es lassen Klienten festlegen, die geduzt und/oder bei denen gegendert werden soll, und andere, wo das nicht der Fall ist.

 

Gendern Umfrage

Umfrage zum Gendern bei der Präsentation von Analyseergebnisse auf dem LinkedIn-Kanal von
datavance-Geschäftsführer Meinert Jacobsen, Dezember 2021.

 

In der Massenkommunikation im CRM ist dieses Zielgruppen-spezifische Vorgehen deutlich schwieriger. Eine Zielgruppe zu gendern bzw. zu duzen, eine andere hingegen nicht, setzt zum einen voraus, dass ein Unternehmen in der Lage ist, Zielgruppen zu bilden, die auch in ihrer Einstellung zum Gendern oder Duzen homogen sind. Denn es dürfte wenig sinnvoll sein, die Zielgruppen nur in Bezug auf Gendern und Duzen zu bilden – andere Aspekte wie Produktinteressen, Kaufgewohnheiten, Kanalpräferenzen dürften dann doch wichtiger sein. Zum anderen gibt es meist neben der Zielgruppen-spezifischen auch die allgemeine Kommunikation, sei es über die Fernsehwerbung, über Plakate oder über die Homepage. Diese sollten zusammenpassen: Wenn ein*e Kund*in etwa in einer individualisierten E-Mail-Kommunikation gegendert angesprochen wird, die Homepage den Kunden allerdings nicht gegendert anspricht, dürfte dies irritierend wirken und einem einheitlichen Bild, das ein Unternehmen seiner Zielgruppe vermitteln möchte, entgegenstehen.

 

 

Fazit

Wer einfach, klar und aktivierend mit seiner Zielgruppe kommunizieren möchte, muss sich letztlich zwischen zwei -Alternativen entscheiden: dem Übergang zum Gendern durch mehrgeschlechtliche Schreibweise (z.B. mit dem Gender-Stern) oder der Weiterverwendung des traditionellen generischen Maskulinums. Den Ausschlag bei dieser Entscheidung sollten dabei die Vorlieben bzw. Aversionen der Zielgruppe geben.

Wir von datavance jedenfalls haben uns diese Fragen auch gestellt – uns sind zu dem Schluss gekommen, unsere Ansprechpartner etwa auf der Webseite und im Newsletter zu siezen und auf das Gendern zu verzichten.